Marcel Graf von der Präventionsabteilung der Kantonspolizei Zürich erklärte am Donnerstag, 5. Oktober 2023, anhand eindrücklicher Beispiele, wie man am besten vorgeht, wenn eine Person am Telefon etwas Schreckliches erzählt und sofort viel Geld fordert.
Knapp 30 Personen haben am 5. Oktober 2023, an diesem schönen Herbstnachmittag, den Weg ins «Göpfi»-Zentrum gefunden, um an einem Anlass teilzunehmen, der gemeinsam von der Pro Senectute des Kantons Zürich, der katholischen Pfarrei Glegra und der reformierten Kirchgemeinde Glattfelden organisiert worden war. Patrick Schwäble begrüsste Marcel Graf, Präventionsfachmann bei der Kantonspolizei Zürich.
Graf kam gleich zur Sache und erzählte Beispiele von sogenannten Schockanrufen und stellte die Frage, was denn zu tun sei, wenn man ein solches Telefon erhalte. Spontan wurde die Nummer 117 genannt. Er erklärte, dass dies genau das Richtige sei, nämlich die richtige Polizei anzurufen. Man solle auch keine Hemmungen haben, die «Polizeinotrufnummer» zu wählen, denn die Mitarbeitenden kennen die Maschen der Betrüger und bieten Hilfe an.
Graf erklärte kurz die Funktionsweise der vor rund zehn Jahren gegründeten Präventionsabteilung, als sich unter anderem solche betrügerischen Telefonate zu häufen begannen. Die Abteilung arbeite vernetzt mit anderen Polizeiorganisationen im Ausland zusammen. So sei es gemeinsam gelungen ein Telefonbetrugs-Call-Center in der Türkei zu schliessen und Straftäter zu verhaften. Solche Schockanrufe kämen eben üblicherweise aus professionell organsierten Call-Centern. Bei einem Schockanruf werde nicht bewusst eine Person ausgewählt und dann unter Druck gesetzt, sondern ein Computer wähle automatisiert Telefonnummern zufälligerweise aus. Der Betrüger, der die Geschichte erzähle, wisse denn auch gar nicht, wer den Anruf entgegennehme und habe auch keine Ahnung von den Lebensumständen oder der familiären Situation des Opfers. Die erfundene Geschichte werde aber so glaubwürdig erzählt und es entstehe sofort ein so grosser emotionaler Druck, dass viele Personen geschockt seien und das Gefühl hätten, sofort helfen zu müssen, und den Aufforderungen folgten.
Wer tatsächlich anruft, wisse man natürlich nicht, aber die Rollen, welche die Betrüger spielen, seien sehr verschieden: Mal melde sich ein «falscher Polizist», der Sohn oder die Tochter müssen nach einem schweren Verkehrsunfall notoperiert werden und man dafür eine Vorauszahlung benötige; mal sei es der «Staatsanwalt», der die Tochter mit einer bestimmten Geldsumme aus der Untersuchungshaft holen möchte, denn diese habe ein Kind überfahren. Und manchmal seien es «Polizisten», die vor Einbrechern in Ihrer Nähe warnen und deshalb persönlich vorbeikommen wollen, um Geld und Wertsachen «in Sicherheit zu bringen». Mit solchen Geschichten terrorisiere die Anrufer ihre Opfer teilweise über Stunden und lassen sie nicht mehr «frei». Das Betrugsopfer sei in solchen Geschichten dann regelrecht gefangen und könne sich nicht mehr daraus lösen und einfache rationale Entscheidungen nicht mehr treffen. Es sei sogar möglich, dass man dann nicht mehr wisse, wen man anrufen und um Hilfe oder Rat fragen können.
Dabei sei es ganz einfach, sich zu schützen. Graf wiederholte es mehrmals im Vortrag, um es ganz deutlich zu machen: Das Telefonat sofort beenden, aufhängen und bei der richtigen Polizei anrufen – 117. Weil der Stress bei einem solchen Telefonat so gross sei, solle man sich die wichtigen Telefonnummern an einem Ort aufschreiben, der gut zu sehen ist.
Die Betrüger seien technisch in der Lage auf der Anzeige des Telefons irgendeine Nummer anzeigen zu lassen. Da könne dann eine Nummer mit 044 stehen, obwohl das Telefonat aus einem weit entfernten Land komme. Auch sei es möglich, dass dort «Polizei 117» stehe. Dabei rufe die Polizei nie mit der Nummer 117 an. Graf sagte auch, dass die Mitarbeitenden der Kantonspolizei Zürich sicher auf «Züridütsch» sprechen würden und nicht Hochdeutsch mit Akzent. Und: «Die Polizei verlangt nie Geld am Telefon!» Auch haben alle Mitarbeitenden der Kantonspolizei immer einen Personalausweis dabei, der kontrolliert werden könne, wenn das Opfer zum Beispiel einen Polizisten zur Geldübergabe treffen solle. Graf erwähnte all diese selbstverständlichen Tatsachen, weil die Schocktelefonate einen solchen hohen emotionalen Druck ausüben, dass die elementarsten und einfachsten Sachverhalte nicht mehr in Erinnerung kämen. Und Graf wiederholte, es können jeden jederzeit treffen. Es habe schon Opfer gegeben, die nicht älter als 35 Jahre alt waren. Das Schlimme an dieser Betrugsmasche sei eben, dass das Geld verloren ist, nachdem es transferiert oder übergeben worden sei. Und da habe er schon tragische Fälle erlebt, bei denen ein Opfer sogar viel Geld aus der Pensionskasse verloren habe. Es sei nicht unmöglich, aber schwierig, solchen Betrügern auf die Schliche zu kommen und sie zu verhaften. Das mache das Geschäft lukrativ, und ein geschlossenes Call-Center sei an einem anderen Ort schnell wieder eröffnet.
Zum Schluss erwähnte Marcel Graf nochmals das Wichtigste in Kürze: Der kleinste gemeinsame Nenner, an dem eine Schockanruf zu erkennen ist, ist also die schockierende Nachricht selbst, und dass sie immer mit einer Geldforderung verbunden ist: Schock + Geld = Betrug. Der Druck, der dabei aufgebaut wird, ist ein weiteres Indiz.
Wenn Sie befürchten, gerade einen Schockanruf zu erhalten, tun Sie auf keinen Fall, was von Ihnen gefordert wird! Brechen Sie das Gespräch sofort ab und legen Sie einfach auf. Sollten die Betrüger immer wieder anrufen, legen Sie ebenfalls einfach auf, immer wieder. Rufen Sie dann das angeblich betroffene Familienmitglied an oder, wenn es im Moment nicht erreichbar ist, eine andere Person Ihres Vertrauens. Rufen Sie am besten auch sofort die Polizei (117) an und schildern Sie, was passiert ist.
Was sollten Sie sonst noch bedenken?
• Die Polizei ruft niemals von der Notruf-Telefonnummer 117 aus an.
• Geben Sie niemals Auskunft über Bankverbindungen, finanzielle oder persönliche Verhältnisse.
• Lassen Sie keine Fremden in die Wohnung.
• Übergeben Sie niemals Geld und Wertgegenstände an unbekannte Personen, auch wenn sie echt aussehende Uniformen tragen.
Nach einer sehr informativen Stunde und einer kurzen Fragerunde beendete Marcel Graf seinen Vortrag. Kati Rechsteiner ergriff am Schluss das Wort, bedankte sich herzlich lud dazu ein, im Kafi Judith noch bei einem Kaffee und feinen Stück Kuchen zusammen zu sitzen und sich auszutauschen.
Wichtige Telefonnummern:
Polizei-Notruf: 117
Kantonspolizei Zürich, Polizeiposten Bülach: 058 648 62 10
Stadtpolizei Bülach: 044 863 13 00